In diesem Artikel wenden wir uns der Frage zu, ob es eine wahre Religion gibt, bzw. vielmehr, woran zu erkennen ist, ob eine Religion wahr oder falsch ist. Voraussetzung für die kommenden Inhalte ist entweder der Artikel „Existiert Gott?“ oder die Annahme der Existenz eines allmächtigen, allwissenden und vollkommenen Gottes.
Die Frage nach der wahren Religion ist die Frage, ob sich Gott bereits dem Menschen geoffenbart hat. Da Gott allmächtig ist, hat er natürlich die Möglichkeit, sich dem Menschen zu offenbaren. Die Anzahl der Gott offenstehenden Möglichkeiten dafür ist wegen seiner Allmacht unbegrenzt. Die Möglichkeiten sind grob unterscheidbar in allgemeine und private Offenbarungen. Allgemeine Offenbarung besteht darin, der Menschheit als Ganzes zuteil zu werden, und private darin, einer einzelnen Person zuzukommen. In diesem Artikel geht es einzig um die Frage, woran eine allgemeine Offenbarung zu erkennen ist.
Wenn Gott sich dem Menschen tatsächlich bereits geoffenbart hat, müssen zum einen die Offenbarungsinhalte wegen der Vollkommenheit Gottes wahr sein, da Falschheit ein Mangel an Wahrheit ist und dies somit unvollkommen wäre (siehe „Was ist das Gute?“). Gott kann aber nicht unvollkommen sein (siehe „Existiert Gott?“). Zum anderen könnte über eine nachweisliche Offenbarung Gottes hinaus keine weitere bestehen, die sich im Widerspruch zu ihr befände, da auch dies wegen der Vollkommenheit Gottes unmöglich ist. Anders ausgedrückt sieht es so aus, dass es vielleicht eine wahre Religion gibt. Es kann aber nicht mehrere wahre Religionen geben, wenn sie in irgendwelchen Punkten inhaltlich zueinander im Widerspruch stehen. Woran man erkennen kann, dass es eine wahre Religion gibt, soll durch diesen Artikel beantwortet werden.
Vorab wird angemerkt, dass alle Religionen ausscheiden, die kein monotheistisches Gottesbild vertreten (siehe „Existiert Gott?“).
Da in diesem Artikel lediglich die Kriterien erarbeitet werden, anhand derer zu erkennen ist, ob eine Religion wahr oder falsch ist, werden keine sogenannten empirischen Wissensinhalte als bekannt vorausgesetzt. Es wird rein rational, wie wir es durch die vorigen Artikel bereits gewöhnt sind, vorgegangen. Die Anwendung der in diesem Artikel vorgestellten Kriterien kann von jedem selbst vollzogen werden. Ich habe jedoch vor, zu einem späteren Zeitpunkt einen Artikel der Anwendung der Kriterien zu widmen.
Wenn Gott sich der Menschheit bereits geoffenbart hat, muss er dem Menschen grundsätzlich die Möglichkeit geben, zu dieser Offenbarung vorzudringen. Andernfalls wäre Gott nicht allmächtig, weil er, wenn er sich der Menschheit offenbart, will, dass die Menschen seine geoffenbarten Wahrheiten wissen können. Da die großen und allgemein zugänglichen monotheistischen Offenbarungsreligionen als Offenbarungsüberbringer alle mindestens eine Person haben, werden sich die in diesem Artikel vorgestellten Kriterien auf Personen als Offenbarungsüberbringer beziehen.
Viel Freude beim Lesen.
Die Anzahl der Kriterien, anhand derer zu erkennen ist, ob eine monotheistische Offenbarungsreligion, die von mindestens einer Person überbracht wurde, wahr oder falsch ist, beläuft sich auf insgesamt fünf.
Im Folgenden sprechen wir im Singular von einem Überbringer göttlicher Wahrheiten, damit der Lesefluss nicht gestört wird. Bei Religionen mit mehreren Personen als Überbringer kann bei der Anwendung der Kriterien gedanklich der Plural den Singular ersetzen.
Erstes Kriterium
Das erste Kriterium bezieht sich auf die Person des Überbringers göttlicher Wahrheiten und besteht in seiner moralischen Güte. In „Existiert Gott?“ haben wir gesehen, dass Gott die Vollkommenheit und das Gutsein selbst ist. Wenn Gott der Menschheit seine Wahrheiten durch eine Person offenbaren will, ist es zum einen so, dass der Überbringer göttlicher Wahrheiten eine gute Beziehung zu Gott haben bzw. Gott moralisch nahe stehen muss, um aus der Beziehung zu Gott bzw. durch die moralische Nähe zu Gott die Wahrheiten zu empfangen, die der Menschheit überbracht werden sollen. Wie kann jedoch ein moralisch schlechter Mensch eine gute Beziehung zu Gott haben bzw. Gott moralisch nahe stehen, da das moralische Schlechtsein mit einer schlechten Beziehung zu Gott bzw. der moralischen Entfernung von Gott verbunden ist?
Zum anderen ist Angemessenheit eine Vollkommenheit. Gott ist die Vollkommenheit (siehe „Existiert Gott?“). Es ist angemessen, dass der Überbringer der Wahrheiten der Vollkommenheit selbst als Mensch vollkommen ist. Die Vollkommenheit eines Menschen jedoch besteht in seiner moralischen Güte, in seinem moralischen Gutsein.
Wenn, darüber hinaus, Gott seine Wahrheiten der Menschheit mitteilt, dann will Gott, dass die Menschheit die Wahrheiten zu erkennen vermag. Wenn dem Menschen über eine moralisch schlechte Person göttliche Wahrheiten mitgeteilt würden, sähe der Mensch eine Spannung zwischen dem Gutsein Gottes und der moralischen Bedenklichkeit des Überbringers, was den Menschen kaum dazu brächte, die Wahrheiten anzunehmen.
Der Überbringer göttlicher Wahrheiten muss demnach einen sehr hohen Grad an moralischer Güte haben.
Die moralische Güte einer Person ist von außen nur bis zu einem gewissen Grad und einzig an der Summe der bekannten moralischen Akte der Person zu erkennen. Da die bekannten moralischen Akte eines Offenbarungsbringers die einzigen äußerlich zugänglichen Informationen über den moralischen Stand des Offenbarungsbringers sind, würde die Vollkommenheit und Allmacht Gottes es nicht zulassen, dass ein authentischer Offenbarungsbringer in seinen äußerlich bekannten moralischen Akten anders erscheint, als er eigentlich ist. Die Folge wäre nämlich, dass wir Menschen in die Irre geführt würden. Das heißt, der Überbringer göttlicher Wahrheiten kann der Menschheit nicht durch moralisch schlechte Akte bekannt sein. Moralisch gute Akte sind insbesondere Akte, die zum Guten, zur Verwirklichung anderer Personen beitragen, also Akte der Liebe und Barmherzigkeit und Akte des Friedens. Moralisch schlechte Akte sind insbesondere Akte, die zum Schlechten, zum Schaden anderer Personen beitragen, also z.B. Akte der Kriegstreiberei, der Misshandlung oder Ausnutzung anderer.
Die über den Offenbarungsbringer bekannten moralischen Akte müssen also maximal gut sein.
Zweites Kriterium
Das zweite Kriterium besteht in etwas, das nur von Gott kommen kann und die Göttlichkeit seiner Wahrheiten bezeugen soll: in Wundern. Unter Wunder ist etwas gemeint, das ein Mensch zu bewirken nicht imstande ist; etwas, das auf natürlichem Wege zu erreichen nicht möglich ist.
Solche Wunder müssen mit demjenigen einhergehen, der der Menschheit die Wahrheiten Gottes kundtut, damit die Menschheit die Göttlichkeit der Wahrheiten erkennen kann. Wenn sich Gott also geoffenbart hat und demnach will, dass wir Menschen seine Wahrheiten wissen können, hat er mit der Überbringung seiner Wahrheiten etwas verbunden, das nur ihn als Urheber zulässt, und zwar Ausdrücke seiner Allmacht. Zu Wundern zählen z.B. erfüllte Prophezeiungen über die Person, welche die Wahrheiten Gottes übermittelt. Des Weiteren zählen Totenerweckungen und Heilungen unheilbar Kranker zu Wundern, sowie Materieschöpfung durch Brotvermehrung oder die unmittelbare Herrschaft über die Natur.
Drittes Kriterium
Das dritte Kriterium bezieht sich auf den Inhalt der überbrachten göttlichen Wahrheiten, also auf das Geoffenbarte.
Der Mensch kann durch seine Vernunft Wahrheiten erkennen. Der Mensch kann durch seine Vernunft jedoch nicht alle Wahrheiten erkennen. Die Wahrheiten, die der Mensch durch seine Vernunft zu erkennen vermag, heißen natürliche Wahrheiten. Die übervernünftigen Wahrheiten, diejenigen, die der Mensch also durch seine Vernunft nicht zu erkennen vermag, heißen übernatürliche Wahrheiten.
Der Offenbarungsinhalt kann beide Arten von Wahrheiten umfassen, sowohl natürliche als auch übernatürliche.
Das dritte Kriterium besteht im Einklang der geoffenbarten Wahrheiten mit der Vernunft, wenn die geoffenbarten Wahrheiten in den Bereich natürlicher Wahrheiten fallen. Wenn ein angeblicher Offenbarungsinhalt dem Bereich natürlicher Wahrheiten zurechenbar ist und im direkten Widerspruch zu dem steht, was die Vernunft als wahr oder falsch zu erkennen vermag, kann die Offenbarung und somit die Religion nicht richtig sein.
Beispiele: Angenommen, ein angeblicher Offenbarungsinhalt würde besagen, dass es in Ordnung ist, andere Menschen zu versklaven. Die Frage nach der Legitimität von Versklavung ist moralischer Natur und durch die Vernunft erkennbar. Die Vernunft kann erkennen, dass es falsch ist, andere Menschen zu versklaven. Der angebliche Offenbarungsinhalt ist also falsch und kann somit nicht von Gott kommen, da Gott gänzlich vollkommen und Falschheit ein Mangel an Vollkommenheit ist.
Nehmen wir an, ein anderer angeblicher Offenbarungsinhalt würde besagen, dass Gottes Wesen listenreich ist und Gott aus dieser Eigenschaft heraus den Menschen täuscht. Jemanden zu täuschen heißt, jemanden dazu zu bringen, etwas nicht Wahres für wahr zu halten. Die Frage der Wahrhaftigkeit Gottes ist metaphysischer Natur und durch die Vernunft erkennbar. Die Vernunft kann erkennen, dass Gottes Wesen absolut vollkommen und Wahrhaftigkeit eine Vollkommenheit ist. Somit ist das Wesen Gottes wahrhaftig und kann nicht listenreich sein, da beides zueinander im Widerspruch steht. Der angebliche Offenbarungsinhalt ist also falsch und kann somit nicht von Gott kommen.
Auf der anderen Seite kann es natürlich sein, dass ein angeblicher Offenbarungsinhalt in den Bereich übernatürlicher Wahrheiten fällt. In diesem Fall könnten wir mit unserer Vernunft nicht direkt erkennen, ob er wahr oder falsch ist. Um genaueren Aufschluss über die Echtheit eines solchen angeblichen Offenbarungsinhaltes zu erhalten, bedarf es der in diesem Artikel vorgestellten Kriterien. Über sie kann Aufschluss über die Echtheit eines übernatürlichen Offenbarungsinhaltes gewonnen werden.
Beispiel: Nehmen wir an, ein angeblicher Offenbarungsinhalt würde besagen, dass das Wesen oder die Natur Gottes aus drei Personen besteht und dass die zweite göttliche Person zu der göttlichen Natur noch die menschliche Natur angenommen habe. Diese Inhalte betreffen die Bereiche innergöttlicher Wesensnotwendigkeiten und innergöttlicher Entscheidungen. Dass der angebliche Offenbarungsinhalt, der das eine Wesen Gottes in drei Personen bestehen lässt, zur Einfachheit Gottes im Widerspruch steht muss nicht sein, wenn diese Offenbarung noch folgende vier Punkte miteinschließt, da sich die Einfachheit Gottes auf das Wesen Gottes bezieht. Erstens, dass jede der drei Personen das ganze göttliche Wesen besitzt und die drei Personen nicht das göttliche Wesen bilden, wie die Teile das Ganze. Zweitens, dass die Unterschiede der drei Personen zueinander auf die je eigene Weise zurückzuführen ist, in der sie jeweils das göttliche Wesen haben. Drittens, dass die drei Personen nicht drei Substanzen sind, sondern auf individuelle Weise die eine göttliche Substanz sind. Viertens, dass in Gott sein Wesen und seine Substanz dasselbe sind.
Diese angeblichen Offenbarungsinhalte wären theologischer Natur und sind somit übernatürlich. Die Vernunft kann demnach direkt weder ihre Wahrheit bestätigen noch widerlegen. Will man also wissen, ob diese angeblichen Offenbarungsinhalte wahr oder falsch sind, sollte man schauen, ob mit diesen Offenbarungsinhalten noch weitere verbunden sind, die in den Bereich natürlicher Wahrheiten fallen, und ob die anderen hier vorgestellten Kriterien erfüllt sind.
Darüber hinaus beinhaltet das dritte Kriterium, dass die Inhalte einer angeblichen Offenbarung nicht im Widerspruch zueinanderstehen dürfen.
Beim dritten Kriterium, bei dem auf den Inhalt der Offenbarung Bezug genommen wird, sei noch Folgendes hinzugefügt, was zwar logisch nicht zwingend in einer echten Offenbarung enthalten sein muss, jedoch bei tatsächlichem Enthaltensein in angeblichen Offenbarungsinhalten die Wahrscheinlichkeit der Echtheit der Offenbarung erhöht: Unsere Vernunft vermag über die metaphysische Wirklichkeit einiges zu erkennen, doch sie hat auch ihre Grenzen, über die sie nicht hinauszugehen vermag. Würden Offenbarungsinhalte in möglichst vielen Punkten nun genau dort ansetzen, wo die Vernunft nicht weiterkommt, ließe dies die Offenbarung seriöser wirken. Beispiel: Im Artikel „Was ist der Mensch?“ sahen wir, dass der vollständige Mensch Materie und Geist bzw. Körper und Seele ist. Außerdem sahen wir bei dem Artikel, dass ein Teil des Menschen den Tod überdauert: Der Geist bzw. die Seele des Menschen überdauert die Trennung von der Materie bzw. vom Körper. Dies ist mit unserer Vernunft zu erkennen. Was unsere Vernunft nicht zu erkennen vermag, ist zum einen, was genau nach dem Tod kommt und wie es um den Menschen hinsichtlich seines Unvollständigseins steht. Würden angebliche Offenbarungsinhalte enthalten, was nach dem Tod kommt und wie es um die Vollständigkeit des Menschen steht, dass es z.B. ein Ereignis gibt, ab dem die Menschen mit ihren Körpern – die ab dann einen deutlich höheren Vollkommenheitsgrad innehaben – wiedervereint werden, lässt dies die angebliche Offenbarung seriöser wirken.
Viertes Kriterium
Das vierte Kriterium bezieht sich auf die Art und Weise der Verbreitung der Offenbarungsinhalte. Es besteht in der Entsprechung der Qualität und Quantität der Ausbreitung der Offenbarungsinhalte zum Wesen Gottes, welches absolut gut und allmächtig ist.
Beginnen wir mit der Qualität der Ausbreitung der Offenbarungsinhalte. Die Qualität der Ausbreitung ist dem Wesen Gottes dann entsprechend, wenn sie, insbesondere zu Beginn der allgemeinen Offenbarung, in Frieden und Freiheit vollzogen wird. Frieden ist eine Vollkommenheit, die in Gott absolut ist. Die Freiheit hat der Mensch von Gott erhalten, und Gott widerspricht sich nicht, da dies ein Mangel an Vollkommenheit wäre. Der Beginn der Ausbreitung ist deshalb so wichtig, weil er wegen der Nähe zu Gott in seiner allgemeinen Selbstoffenbarung durch den Offenbarungsbringer wegweisend, vorbildhaft und maßgebend ist.
Die Qualität der Ausbreitung von Offenbarungsinhalten ist dem Wesen Gottes nicht entsprechend, wenn sie in Krieg und Zwang vollzogen wird. Krieg ist der Mangel an Frieden und somit schlecht (siehe „Was ist das Gute?“), Gott jedoch gut. Zwang ist ebenfalls schlecht.
Wenn die Qualität der Ausbreitung von Offenbarungsinhalten dem Wesen Gottes entspricht, ist dies ein Anzeichen dafür, dass sie wahr sein kann. Dieses Anzeichen ist für sich genommen jedoch nicht ausreichend, Offenbarungsinhalte als von Gott kommend zu beweisen, sondern nur im Zusammenhang mit den anderen Kriterien. Ein Beispiel für eine Ausbreitung von Offenbarungsinhalten, die dem Wesen Gottes sehr entsprechen, wären Offenbarungsbekenner, die in den ersten Jahrhunderten sowohl um der Ausbreitung göttlicher Wahrheiten wegen als auch aus Liebe zu den Mitmenschen bereitwillig den Tod über sich ergehen lassen.
Wenn die Qualität der Ausbreitung von Offenbarungsinhalten dem Wesen Gottes nicht entspricht, können die angeblichen Offenbarungsinhalte nicht wahr sein.
Die Quantität der Ausbreitung von Offenbarungsinhalten entspricht dann dem Wesen Gottes, wenn sie, in Abhängigkeit von historischen Umständen, schnell geschieht und wenn das Wissen um die Offenbarungswahrheiten, im weiteren Verlauf, weltweit bekannt wird. Dies entspricht darum dem Wesen Gottes, weil Gott allmächtig ist und bei seiner allgemeinen Offenbarung will, dass die Menschen seine Wahrheiten wissen können.
Folgerungen
Bevor wir mit dem fünften Kriterium weitermachen, wollen wir auf die Beziehungen der Kriterien eins bis vier zueinander eingehen, so wie sie aus den bisherigen Ausführungen erschlossen werden können.
Zunächst einmal sei kurz wiederholt, worin die jeweiligen Kriterien bestehen. Das erste Kriterium bestand im hohen Grad an moralischer Güte des Offenbarungsbringers. Das zweite in Wundern, das dritte im Einklang der Lehre, wenn sie den Bereich natürlicher Wahrheiten betrifft, mit unserer Vernunft, und das vierte in der Entsprechung von Qualität und Quantität der Ausbreitung der Offenbarungswahrheiten mit dem Wesen Gottes.
Wenn die ersten beiden Kriterien erfüllt sind, müssen das dritte und vierte Kriterium auch erfüllt sein, andernfalls wäre uns ein Fehler im Erkennen unterlaufen, die ersten beiden Kriterien für erfüllt zu halten. Das Kriterium eins ist mit den Kriterien drei und vier zwar logisch nicht ausreichend, um die Wahrheit einer Religion zu bestätigen, es ist jedoch zumindest sehr unwahrscheinlich, dass diese Kriterien von einer falschen Religion erfüllt werden. Die Kriterien zwei, drei und vier reichen auch nicht aus. Wenn das Erfülltsein dieser Kriterien angenommen wird, ist uns ein Fehler bei der Annahme des Zutreffens des zweiten Kriteriums unterlaufen, und zwar entweder dadurch, dass das angebliche Wunder nicht etwas ist, das nur durch Gott bewirkt werden kann, oder dadurch, dass wir hinsichtlich der Existenz des Wunders getäuscht wurden. Eine Kombination aus beidem ist natürlich auch möglich. Darüber hinaus ist es auch nicht wahrscheinlich, dass eine falsche Religion die Kriterien drei und vier vollständig erfüllt.
Wenn die Kriterien eins bis vier von einer Religion erfüllt werden, muss die Religion wahr sein, da Gott uns andernfalls täuschen würde, was zu seiner Vollkommenheit im Widerspruch stände und Gott zu sich selbst nicht im Widerspruch stehen kann. Genauso stände es zur Vollkommenheit Gottes im Widerspruch, dass zwei sich widersprechende Religionen zugleich die Kriterien erfüllen.
Fünftes Kriterium
Das fünfte Kriterium bezieht sich auf die Vermittlung der göttlichen Wahrheiten für Menschen, die erst deutlich nach dem Auftreten des Offenbarungsbringers leben. Dieses Kriterium beziehen wir zum einen auf eine natürliche Vermittlung und zum anderen auf eine Zeit vor der Digitalisierung, also auf klassische historische und archäologische Zeugnisse.
Die wichtigste Möglichkeit, geschichtliches Wissen an deutlich später lebende Generationen weiterzugeben, sind historische Zeugnisse. Wenn ein von Gott gesandter Überbringer göttlicher Wahrheiten in der Geschichte auftritt, will Gott dem Menschen Wahrheit geben. Da Menschen auch noch viele Jahrhunderte nach dem Auftreten des Boten Gottes leben können, muss das Auftreten des Boten geschichtlich überliefert werden, damit später lebende Menschen davon wissen können. Damit die später lebenden Menschen das geschichtliche Ereignis des Auftritts des Boten Gottes - einschließlich der von ihm verkündeten Wahrheiten - als wahr erkennen, müssen folgende Punkte erfüllt sein, in deren Erfüllung auch das fünfte Kriterium besteht:
1. Zu diesem geschichtlichen Ereignis muss eine außerordentlich hohe Anzahl an historischen Zeugnissen vorhanden sein.
2. Die historischen Zeugnisse müssen im Einklang zueinander stehen.
3. Die historischen Zeugnisse müssen im Einklang zu anderen historischen Zeugnissen derselben Zeit stehen.
4. Die historischen Zeugnisse müssen im Einklang mit archäologischen Funden und eventuellen mündlichen Überlieferungen stehen, sowie durch neuere zuverlässige Alterbestimmungsmethoden in ihrem geschichtlichen Kontext bestätigt werden können.
5. Die historischen Zeugnisse sollten insofern ausgewogen sein, als das Ereignis nicht nur von Anhängern geschildert worden ist.
6. Das Zutreffen der ersten beiden der in diesem Artikel vorgestellten Kriterien muss den historischen Zeugnissen klar zu entnehmen sein.
7. Die historischen Zeugnisse sollten die vom Boten verkündeten Wahrheiten umfassen.
8. Die historischen Zeugnisse müssen die Erfüllung der Qualität - und soweit es möglich ist, der Quantität - des vierten Kriteriums beinhalten.
Wenn diese Punkte und das dritte Kriterium allesamt erfüllt sind, und dazu der Quantität des vierten Kriteriums entsprochen wurde, muss die Religion wahr sein, da Gott ansonsten zuließe, dass wir, als Menschheit, bezüglich seiner Wahrheit total in die Irre geführt würden. Gott lässt es jedoch nicht zu, dass wir, als Menschheit, bezüglich seiner Wahrheit total in die Irre geführt werden, was im Folgenden gezeigt wird.
Vorab einige Anmerkungen über totale Irreführung und Zulassung Gottes. Total in die Irre geführt zu werden heißt, dass etwas Rationales falsch ist. Als vernünftige Wesen nehmen wir Menschen zurecht das als wahr an, was vernünftig, also rational ist. Rational kann zweierlei sein. Zum einen etwas Notwendiges, was sich z.B. aus mathematischen Berechnungen oder logischen Folgerungen ergibt. Dann aber auch etwas sehr Wahrscheinliches, wie es z.B. bei den Naturwissenschaften der Fall ist. Wenn den in diesem Abschnitt vorgestellten Kriterien entsprochen wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass es wahr ist, wovon die historischen Zeugnisse berichten. Die Wahrscheinlichkeit wäre sogar so hoch, dass jede alternative Annahme irrational, also die Annahme dessen, wovon die historischen Zeugnisse berichten, als einziges rational ist. Wenn nun die in diesem Fall einzig rationale Option - dass die historischen Zeugnisse inhaltlich stimmen - falsch wäre, würden wir total in die Irre geführt werden.
Nun zur Zulassung Gottes. Gott ist absolut vollkommen und will nur das Gute. Wenn etwas Schlechtes von Gott zugelassen wird, muss dies immer um eines höheren Gutes wegen sein. Um zu wissen, was das höhere Gut angesichts des Leids in der Welt ist, bedarf es der Offenbarung. Unsere Vernunft vermag aus sich heraus keine zufriedenstellende Antwort darauf zu geben. Was unsere Vernunft dazu zu sagen vermag ist, dass es ein höheres Gut geben muss, um dessentwillen das Leid zugelassen wird und welches im Widerspruch zur Leidlosigkeit in dieser Welt steht. Anders ausgedrückt sieht es so aus, dass entweder das für uns unbekannte höhere Gut oder die Leidlosigkeit der Welt möglich ist, nicht jedoch beides. Die beiden Möglichkeiten stehen zueinander in einer sich ausschließenden Beziehung, wie z.B. ein rundes Quadrat. Widersprüche, sahen wir in „Existiert Gott?“, können nicht real existieren. Es ist kein Mangel an Allmacht Gottes, dass er keine Widersprüche wirklich machen kann, sondern Ausdruck seiner Vollkommenheit. Da es also Leid in der Welt gibt, muss das für uns unbekannte höhere Gut deutlich besser sein als die Leidlosigkeit der Welt.
Kann es nun auch ein höheres Gut dafür geben, dass Gott es zulässt, dass wir hinsichtlich seiner Offenbarung total in die Irre geführt werden? Gott bedarf des Menschen für seine Vollkommenheit nicht. Gott ist in sich völlig glücklich. Wenn er den Menschen aus Freiheit erschafft, dann nur, um den Menschen an seinem Glück, an seinem Gut teilhaben zu lassen. Der Mensch jedoch fügt Gott nichts hinzu. Ein höheres Gut kann es für Gott also nicht geben, den Menschen hinsichtlich der Offenbarung total in die Irre geführt werden zu lassen. Wie sieht es beim Menschen aus? Kann es für den Menschen ein höheres Gut dafür geben, über Offenbarungswahrheiten total in die Irre geführt zu werden? Das für den Menschen höchste Gut besteht darin, zu seiner Vollendung zu gelangen (mehr zu diesem Thema, siehe den Artikel "Was ist das moralisch Gute?"). Wie er jedoch zu seiner Vollendung gelangt, lässt der Mensch, wenn er eine Religion angenommen hat, von seiner Religion zumindest fundamental mitbestimmen. Die Frage, ob es ein höheres Gut für den Menschen geben könnte, wenn er sich in dem, was zu seinem höchsten Gut führt, durch etwas Falsches leiten ließe, muss demnach verneint werden.
Es kann also kein höheres Gut dafür geben, zuzulassen, dass der Mensch hinsichtlich der Offenbarung total in die Irre geführt wird. Demnach ließe Gott es nicht zu, dass die Menschheit durch angebliche Offenbarungswahrheiten getäuscht würde, die das fünfte mit dem dritten und der Quantität des vierten Kriteriums erfüllen. Wenn angebliche Offenbarungswahrheiten bzw. eine Religion diese Kriterien vollständig erfüllt, muss sie wahr sein.
Aus dem Bisherigen sollte klar hervorgegangen sein, wie falsch es ist, anzunehmen, wir Menschen könnten nicht erkennen, ob es eine wahre Religion gibt. Das hier Vorgestellte ist lediglich ein Weg, zur Erkenntnis des Wahrheitsgehaltes einer Religion vorzudringen.
Der neuzeitlichen Tendenz, in der Religion lediglich eine Lebenshilfe zu sehen, die dem persönlichen Geschmack entsprechend gewählt werden sollte, ist mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Die Frage nach der Religion sollte in der Lebenspraxis eine Frage nach der Wahrheit bleiben. Das heißt natürlich nicht, dass jeder Anhänger einer Religion sich stets fragen sollte, ob er nicht einer falschen Religion angehört. Ein Religionsanhänger, genau wie jeder andere Mensch, sollte eine wahrheitsoffene Lebenshaltung entwickeln, aus der heraus er bemüht ist, sich der Wirklichkeit unterzuordnen und nicht die Wirklichkeit seinem ideologisch voreingenommenen Weltbild entsprechend umgestalten zu wollen. Wenn aus der gelebten Veränderungsbereitschaft der Wahrheit und dem Guten gegenüber die Gewissheit, das Richtige zu tun, in Verbindung mit innerem Frieden, innerer Ruhe und Freude erwächst, ist jemand in seinen Überzeugungen und sogar Handlungen gerechtfertigt und muss nicht in ständiger Sorge sein, eine falsche Religion zu vertreten.
Des Menschen Heim ist nicht die Welt,
da sie sein Herz nicht glücklich hält.