In diesem Artikel wird auf die Frage eingegangen, was der Mensch ist. Es gibt bereits verschiedene Methoden, sich dieser Fragestellung zuzuwenden. Durch die Naturwissenschaften gibt es z.B. die Möglichkeit, den Menschen empirisch zu erfassen. Diese Möglichkeit besteht darin, Wissen über den Menschen durch Beobachtungen, Messungen und Experimente zu gewinnen. Dies ist eine durchaus wichtige Methode, führt aber genauso wenig wie jede andere Methode allein zu einem erschöpfenden oder vollständigen Wissen über den Menschen. Die verschiedenen Methoden sind aufeinander angewiesen, um ein vollständigeres Wissen über den Menschen zu erhalten. Sie ergänzen sich. Jede hat Stärken und Schwächen. Eine Schwäche der empirischen Methode ist, dass sie nicht grundlegend ist. Sie sammelt Wissen durch Erfahrungen wie Beobachtungen, Messungen und Experimente. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob alles, was der Mensch ist, überhaupt auf diese Weise erfahrbar ist.
Diese Fragestellung, ob der ganze Mensch empirisch erfassbar ist, soll durch diesen Artikel beantwortet werden. Es soll untersucht werden, ob der Mensch so etwas wie eine Seele oder einen Geist hat und was Seele und Geist eigentlich sind. Eine Methode, die hierfür angewendet wird, ist die, dass wir durch Rückschlüsse über das, was wir sicher über den Menschen wissen und was eher unwesentlich und äußerlich für den Menschen ist, Aufschluss bekommen über das, was wir nicht sicher wissen und was wesentlich und innerlich für den Menschen ist. Wir wissen z.B., dass wir Tätigkeiten ausführen können und uns auf verschiedene Weisen auf verschiedene Gegenstände bzw. Objekte richten können. Über die Tätigkeiten und Tätigkeitsgegenstände erhalten wir Aufschluss über die menschlichen Tätigkeitsmöglichkeiten, also über die menschlichen Vermögen. Über die menschlichen Vermögen erhalten wir Aufschluss über das Wesen des Menschen.
Um größeren Aufschluss über die Frage zu erhalten, ob der Mensch eine Seele oder einen Geist hat und was Seele und Geist sind, wird im ersten Teil ein Bogen zu Themen gezogen, die dem Anschein nach nichts mit der eigentlichen Fragestellung zu tun haben. Zu Beginn des Artikels werden die beiden Prinzipien von Substanzen herausgearbeitet, woraufhin auf den Substanzbegriff inhaltlich eingegangen wird. Darauf aufbauend folgen allgemeine Unterscheidungskriterien zwischen anorganischen Dingen, Pflanzen, Tieren und Menschen. Die Unterscheidungskriterien werden im weiteren Verlauf tiefer erörtert, sodass aus ihnen die übergeordnete Fragestellung beantwortet werden kann. Im Anschluss daran wird als Zusatz auf die Frage nach der Unsterblichkeit und der Reinkarnation eigegangen.
Es ist empfehlenswert, sich für das Lesen dieses Artikels Ruhe zu gönnen. Die Inhalte sind umfangreich und inhaltsvoll, sodass es gut sein kann, Teile des Artikels mehrfach zu lesen. Die wesentlichen Inhalte des Artikels sind durch Nachdenken nachvollziehbar, sodass für sie keine sogenannten empirischen Wissensinhalte als bekannt vorausgesetzt werden.
Die Inhalte wurden möglichst leicht verständlich dargelegt.
Viel Freude beim Lesen.
Unsere Erfahrungen zeugen von der Existenz von Substanzen wie Bäumen, Mineralen, Hunden, Molekülen und vielem mehr. Weiter unten gehe ich genauer auf den Substanzbegriff ein. Für jetzt reicht es davon auszugehen, dass die genannten Beispiele als „Substanzen“ bezeichnet werden können.
Nehmen wir uns für das Folgende einen Hund als Beispiel. Ein Hund lebt eine bestimmte Anzahl an Jahren. Über die Zeitspanne seines Lebens hindurch bleibt der Hund in einer Hinsicht derselbe. Das heißt, der Hund zum Ende seines Lebens ist nicht ein völlig anderer Hund als zum Anfang seines Lebens. Er hat sich sicherlich verändert, doch das den Veränderungen Zugrundeliegende ist gleichgeblieben. Auch wenn der Hund über die Dauer seines Lebens in der einen Hinsicht derselbe bleibt, gibt es noch die andere Hinsicht, unter der sich der Hund verändert. Die Zellen seines Körpers wechseln beispielsweise während der Zeitspanne seines Lebens hindurch mehrfach. Gleiches gilt für Körperflüssigkeiten und Ähnliches.
Da es so ist, dass in der einen Hinsicht der Hund gleich bleibt und in der anderen Hinsicht sich der Hund verändert, muss es für beides jeweils einen Grund geben (Grundsatz vom zureichenden Grund; mehr zu Grundsätzen siehe „Woher wissen wir, was wahr ist?“).
Der Gleichheitsgrund bzw. das Gleichheitsprinzip im Hund ist dasjenige, wodurch er zur Art bzw. Spezies „Hund“ gerechnet wird, nämlich das, was umgangssprachlich als „Wesen“ oder „Natur“ bezeichnet wird. Das Wesen bzw. die Natur macht unseren konkreten Hund zu einem Tier der Art „Hund“, und zwar über die gesamte Zeitspanne seines Lebens hindurch. Ich nenne dieses Prinzip ab jetzt „Form“. Der Hund hat die Form des Hundes, sowie ein Baum die Form des Baumes oder ein Mineral die des Minerals.
Das Veränderungsprinzip ist die Materie. Materie ist hier allerdings nicht ganz im naturwissenschaftlichen Sinne gemeint, da die naturwissenschaftlichen materiellen Gegenstände immer aus den beiden Prinzipien Form und Materie bestehen bzw. zusammengesetzt sind. Mehr dazu weiter unten.
Zurück zu unserem Hund. Bei ihm können wir weiterhin feststellen, dass er sowohl EIN Hund ist als auch aus vielen Teilen besteht, wie z.B. Atomen, Molekülen und Zellen. Aus dieser Tatsache folgt, dass auch hierfür jeweils ein Grund vorliegen muss. Es muss ein Prinzip für die Einheit des Hundes und ein Prinzip für die Vielheit des Hundes geben.
Setzen wir diese beiden Prinzipien, das der Einheit und das der Vielheit, nun in Beziehung zu den bereits gewonnenen Prinzipien der Gleichheit und Veränderung im Hund. Hier stellen wir fest, dass dasjenige, was sich verändert, auch dasjenige ist, worin die Vielheit des Hundes besteht. Demnach ist das Veränderungsprinzip auch das Vielheitsprinzip, nämlich die Materie.
Das Gleichheitsprinzip ließ, wie wir gesehen haben, den Hund über die Dauer seines Lebens hindurch den selben Hund sein. Vollständiger gesagt, den gleichen einen Hund. Dasjenige, was gleichbleibt ist der eine Hund, oder der Hund in seiner Einheit, oder die Einheit Hund. Das Gleichheitsprinzip ist also auch das Einheitsprinzip, nämlich die Form.
Die Form gestaltet, bestimmt, formt, strukturiert und durchdringt, während die Materie das Zugrundeliegende ist, was gestaltet, bestimmt, geformt, strukturiert und durchdrungen wird. Die Form verhält sich aktiv und die Materie verhält sich passiv.
Die Form war, wie wir sahen, das Wesen der Art unseres Hundes. Was ist nun, wenn wir einen zweiten Hund dazu holen? Als Substanz derselben Art müsste er doch die gleiche (nicht dieselbe) Form haben, die sich nur der Zahl nach unterscheidet. Das ist richtig. Wir können im Hund zwischen dem unterscheiden, was er ist, und dem, was er hat. Das, was er ist, ist die Einheit aus Form und Materie. Und hier ist das Individuationsprinzip - dasjenige, was unseren Hund, in dem, was er ist, von anderen Substanzen derselben Art unterscheidet - die Materie. Die Form hat allerdings trotzdem eine entscheidende Rolle bei der Individualität, da dasjenige, was der Hund hat - wie persönliche Neigungen oder Gewohnheiten - durch die Form des Hundes besteht.
Substanzen sind zu Akten fähig. Allgemein gilt, wenn die Akte nicht nicht sein können (und sei es nur kurz), ohne dass das Sein der Substanz aufhört, sind die Akte und die ihr zugrunde liegenden Kräfte Teil der Form der Substanz. Wenn die Akte auch nicht sein können (und sei es nur kurz), während die Substanz fortbesteht, sind die Akte und Kräfte nicht Teil der Form, sondern durch die Form; etwas, das der Substanz durch die Form zukommt oder was die Substanz durch die Form hat. Die Kräfte nennt man in dem Fall „Vermögen“ und die Akte „Tätigkeiten“. Der Ausdruck Vermögen bezieht sich in dieser Hinsicht auf das Vermögen als einem Teil dessen, der dem Träger des Vermögens zukommt. Der Ausdruck Vermögen kann auch insofern gebraucht werden, als durch es eine Wirkung hervorgebracht wird.
Was wir bisher über Form und Materie gesagt haben, ist ausreichend, um festzustellen, dass es keine sinnlich wahrnehmbaren oder messbaren Wesen oder Dinge gibt, denen keine der Eigenschaften zugesprochen werden können, die Form und Materie zugesprochen werden. Das heißt, dass alle sinnlich wahrnehmbaren oder messbaren Dinge und Wesen aus Form und Materie bestehen, aus Form und Materie zusammengesetzt sind. Es gibt keine formlose Materie. Da die Naturwissenschaften empirisch arbeiten und alles Empirische zusammengesetzt ist aus Form und Materie, unterscheidet sich der Materiebegriff, den wir hier bisher genutzt haben, von dem der Naturwissenschaften.
Die Einheit aus Form und Materie ist dasjenige, was die Substanz ist. Substanzen sind selbstständige und wesentliche Einheiten. Sie werden unterschieden von sogenannten Akzidentien, die Substanzen immer voraussetzen. Substanzen bestehen in/an/für sich und Akzidentien an einem oder etwas anderem, nämlich einer Substanz. Das, was etwas ist, ist die Substanz (z.B. ein Hund), und zu dem, was die Substanz hat, zählen die Akzidenzien (z.B. die Farbe Braun oder die Eigenschaft, 30kg schwer zu sein, oder die Abstandsbeziehung zwischen mehreren Substanzen). Die Akzidenzien sind den Substanzen zukommend.
Hier ein kurzer Exkurs: Während die Form das Wesen der Art einer Substanz ist, wird umgangssprachlich teilweise auch die Substanz selbst als Wesen bezeichnet, da sie zur Form noch die Materie hinzufügt. Die Substanz, einschließlich ihrer individuellen Akzidentien, wird im weiteren Sinne umgangssprachlich auch als „Wesen“ bezeichnet. Wir werden den Ausdruck „Wesen“ in Bezug auf Substanzen jedoch immer entweder so verwenden, dass er dasjenige bezeichnet, wodurch eine Substanz einer Art zugerechnet wird, also als das Einheits- und Gleichheitsprinzip von Substanzen, oder synonym mit dem Wort „Lebewesen“.
Unterschiede von Substanzen und Artefakten
Nicht jede Einheit ist eine Substanz. Es gibt auch Einheiten, die aus angehäuften Substanzen bestehen (z.B. Steinhaufen und Bücher), oder Einheiten, die eine unwesentliche Veränderung einer Substanz sind (z.B. Marmorskulpturen). Wenn beides durch den Menschen zustande kam, nennt man diese Einheiten „Artefakte“. Im Folgenden gehen wir auf die Unterschiede zwischen Substanzen und Artefakten ein.
Etwas ist dann eine Substanz, wenn beide der folgenden Substanz-Bedingungen erfüllt sind.
1. Substanz-Bedingung: Die Eigenschaften einer Substanz werden nicht vollständig durch sowohl die Qualitäten der einzelnen Teile innerhalb der Substanz erklärt bzw. von ihnen abgeleitet als auch durch deren Anordnung (z.B. Aggregatzustände, Farben, Fortpflanzungskraft, Sinnlichkeit, Rationalität).
2. Substanz-Bedingung: Die wesensbestimmenden Eigenschaften der Substanz sind unabhängig von einem äußeren Gebraucher (z.B. Oberflächenbeschaffenheit, Struktur, Gravitationskraft, Fortpflanzungskraft). Die Eigenschaften der Substanz, die abhängig von einem äußeren Gebraucher sind, sind unwesentlich.
Umfangreicheres Beispiel einer Substanz, und zwar dem Wasser:
Wasser hat die Eigenschaft, fest, flüssig oder gasförmig zu sein. Dies sind Aggregatzustände. Wasser besteht aus Wassermolekülen. Wassermoleküle sind die Teile des Wassers. Wassermoleküle haben selbst keinen Aggregatszustand, nicht einmal anteilmäßig. Der Aggregatszustand kommt durch die Beziehung der Wassermoleküle zueinander zustande. Demnach ist die Eigenschaft des Wassers, einen Aggregatszustand zu haben, nicht durch sowohl die Qualitäten der einzelnen Teile innerhalb des Wassers als auch deren Anordnung zu erklären. Darüber hinaus ist die Eigenschaft des Wassers, einen Aggregatszustand zu haben, unabhängig von einem äußeren Gebraucher.
Etwas ist dann ein Artefakt, wenn es beide der folgenden Artefakt-Bedingungen erfüllt.
1. Artefakt-Bedingung: Die Eigenschaften eines Artefakts werden vollständig durch sowohl die Qualitäten der einzelnen Teile innerhalb des Artefakts erklärt bzw. abgeleitet als auch durch deren Anordnung.
2. Artefakt-Bedingung: Die wesensbestimmenden Eigenschaften des Artefakts sind abhängig von einem äußeren Gebraucher (z.B. die Möglichkeiten eines PCs oder das passive Meditationspotenzial eines Kunstgemäldes). Die Eigenschaften des Artefakts, die unabhängig von einem äußeren Gebraucher sind, sind die Eigenschaften der Substanz(en), aus de(r)nen das Artefakt besteht.
Umfangreicheres Beispiel eines Artefakts, und zwar des Computers:
Ein Computer ist ein Rechner, der Daten verarbeitet. Die Daten, mit denen ein Computer arbeitet, bestehen aus Einsen und Nullen. Die Einsen und Nullen erhält der Computer durch sehr kleine Schalter, Transistoren genannt, durch die Strom fließen kann, was der Eins entspricht, oder auch kein Strom fließen kann, was der Null entspricht. Computer haben oft mehrere Milliarden Transistoren. Zusätzlich zu Transistoren besteht ein Computer aus Schaltungen (Gattern), die ein oder mehrere Eingangssignale - Strom an oder aus, bzw. stark oder schwach also die Einsen und Nullen - logisch verarbeiten und ein Ausgangssignal erstellen. Die logische Verarbeitung der Eingangssignale zu einem Ausgangssignal geschehen nach den Prinzipien der booleschen Logik. Hauptbestandteil eines Gatters sind Transistoren. Mehrere Gatter sind im Computer oft miteinander verbunden und bilden so komplexere Schaltnetze. Die Ausgangssignale, eine bestimmte Anzahl von Einsen und Nullen, kann der Computer dazu nutzen, sie weiterzuverarbeiten, zu speichern oder auch auszugeben. Dies ist davon abhängig, womit das Schaltnetzt verbunden ist. Wenn es mit einer LED am Bildschirm verbunden ist, kann es eine LED zum Leuchten bringen. Dafür werden die Einsen und Nullen vorher umgewandelt, sodass die LED in der erwünschten Farbe aufleuchten kann. Ein Bildschirm hat oft mehrere Millionen LEDs. Der Computer wandelt Einsen und Nullen auch in Zahlen, Buchstaben und Zeichen um. Die Umwandlung funktioniert so, dass einer bestimmten Kombination von Einsen und Nullen immer eine bestimmte Zahl, ein bestimmter Buchstabe oder ein bestimmtes Zeichen entspricht. Die Entsprechung kann z.B. nach dem sogenannten Unicode erfolgen. Die Umwandlung von Einsen und Nullen zu Farben und Tönen funktioniert auch über Entsprechungen.
Schauen wir uns nun manche der Eigenschaften eines Computers an. Ein Computer kann z.B. auf dem Bildschirm Videos ablaufen lassen, mathematische Berechnungen durchführen und Informationen speichern. Die Eigenschaften hat der Computer allerdings nur wegen der Qualitäten seiner Teile und der Anordnung dieser und in Abhängigkeit von einem äußeren Gebraucher.
Videos (ohne Ton) sind nichts anderes als Bilder, die schnell hintereinander ablaufen und ein Bild besteht aus den Farben vieler LEDs. Ein Video ist also die Summe der Qualitäten der Teile und ihrer Anordnung, in dem Fall der LEDs. Darüber hinaus sind Zweck und Ursache der Eigenschaften von Videos von einem oder mehreren äußeren Gebrauchern abhängig.
Die mathematischen Berechnungen sind ein komplexes Zusammenspiel der Qualitäten vieler Transistoren, Gattern und Schaltnetze im Computer. Darüber hinaus sind Zweck und Ursache mathematischer Berechnungen eines Computers von außen abhängig.
Informationen zu speichern heißt nichts anderes, als Einsen und Nullen zu speichern. Dies kann durch bestimmt angeordnete Transistoren vollzogen werden. Das Speichern besteht demnach in der Summe der Qualitäten der Teile und ihrer Anordnung, in dem Fall der Transistoren. Darüber hinaus sind auch hier Zweck und Ursache von außen abhängig.
Was für die in den Beispielen gezeigten Eigenschaften gilt, gilt für alle Eigenschaften eines Computers.
Jedes Artefakt ist vom Menschen gemacht, jedoch ist nicht alles vom Menschen Gemachte ein Artefakt (z.B. Kunststoff).
Die Substanz ist eine, wie bereits erwähnt, eigenständige in/an/für sich bestehende, wesentliche Einheit. Die Teile der Substanz sind auf das Sein der substanziellen Einheit hingeordnet und als Teile der Substanz nicht selbst Substanzen. Das gilt auch für die Stoffe, die als Teil einer Substanz eine identische physikalische Struktur haben mit Stoffen, die selbst Substanzen sind wie z.B. Minerale und Wasser als Teil eines lebenden Körpers und Minerale und Wasser für sich bestehend außerhalb eines Körpers. Außerhalb eines Körpers, für sich bestehend, haben Minerale und Wasser selbst eine substanzielle Form. Als Bestandteil eines Körpers haben Minerale und Wasser Anteil an der substanziellen Form des Lebewesens, dessen Teil sie sind. Als Teil einer substanziellen Einheit sind Minerale und Wasser durch die identische physikalische Struktur mit substanziellen Mineralen und substanziellem Wasser der Kraft nach Substanzen. Darüber hinaus sind Minerale und Wasser als Bestandteil eines lebenden Körpers der Möglichkeit nach Substanzen, denn sobald der lebende Körper stirbt und mit dem Tod die substanzielle Form ihr Sein verliert, bekommen die Minerale und das Wasser ihre substanzielle Form wieder.
Die Frage, ab wann etwas eine Substanz ist, also ob z.B. freie Elementarteilchen oder Atome dazugehören, unvollständige Substanzen oder nur Eigenschaften von Substanzen sind und warum, setzt Wissen aus dem Bereich der Quantenmechanik voraus. Für alle, die sich dafür interessieren, verweise ich gerne auf kompetente Autoren wie z.B. Robert Koons, Nancy Cartwright und Hans Primas.
Unterscheidungskriterien von Substanzen
Wollten wir Substanzen klassifizieren, könnte man eine Unterscheidung in vier Klassen von Substanzen vornehmen: die anorganischen Substanzen, die vegetativen Substanzen, die sinnlichen Substanzen und die rational begabten Substanzen. Das Unterscheidungskriterium hier bezieht sich auf den Grad der Innerlichkeit (Immanenz) des Tätigseins der Substanzen.
Die anorganischen Substanzen zeichnen sich dadurch aus, dass deren Tätigkeiten keinen Grad an Immanenz aufweisen, sondern vollständig transitiv sind. Das heißt, dass sämtliche Tätigkeiten, die durch die Form anorganischer Substanzen entstehen, auf Fremdes einwirken.
Beispiele: Die Hitze des Feuers erwärmt die örtliche Umgebung; Die Planetenbewegung ist insoweit eine transitive Tätigkeit der Sonne, als sie durch die Gravitationskraft der Sonne zustande kommt. Die Planetenbewegung kann nicht als transitive Tätigkeit der Planeten angesehen werden, da sich die Planeten zu der Gravitationskraft der Sonne passiv verhalten. Die Trägheit der Planeten, die Einfluss auf die Planetenbewegungen hat, ist keine aktive Möglichkeit der Planeten. Die Trägheit ist eine Eigenschaft, keine Tätigkeit. Zu den anorganischen Substanzen zählen z.B. Minerale, Feuer und Wasser.
Die vegetativen Substanzen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Tätigkeiten haben, die den untersten Grad von Immanenz aufweisen. Immanente Tätigkeiten sind innere, innewohnende bzw. in sich bleibende Tätigkeiten. Dazu gehört, dass diese Tätigkeiten in dem enden, von dem sie ausgehen. Sie sind auf die Substanz bezogen, welche sie bewirkt. Ein Beispiel einer solchen Tätigkeit ist die biologische Assimilation. Bei dieser Tätigkeit werden fremde Stoffe in körpereigene Materie umgewandelt. Der Anfang der Tätigkeit wird durch das Ernährungsvermögen der vegetativen Substanz vollzogen und endet in der vegetativen Substanz, sobald die fremden Stoffe, wie z.B. Kohlenstoffdioxid und Wasser, zu einem Teil der eigenen Substanz geworden sind. Zu den vegetativen Substanzen zählen die Pflanzen.
Die sinnlichen Substanzen zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu immanenten Tätigkeiten fähig sind, die einen Grad an Immanenz aufweisen, der den von vegetativen Substanzen übersteigt. Die Immanenz des Vegetativen bestand in der auf sich selbst Gerichtetheit, oder anders ausgedrückt darin, dass das Ende der immanenten Tätigkeit in der Substanz verbleibt. Die sinnlichen Substanzen fügen dem noch hinzu, dass sie die immanente Tätigkeit ausführen können, ohne etwas Fremdes zu zerstören, und teilweise sogar, ohne auf etwas Fremdes einzuwirken. Ein Beispiel hierfür ist die Sehkraft. Auf das Objekt des Sehens wird im Akt des Sehens nicht eingewirkt, während die Assimilation die Zerstörung der Form fremder Stoffe voraussetzt. Zu den sinnlichen Tätigkeiten zählen nicht nur die äußeren, wie z.B. Sehen, Hören, Riechen und Schmecken. Es gibt auch innere Sinnestätigkeiten. Hierzu zählen z.B. die Tätigkeiten der Vorstellungskraft, die darin bestehen, das äußerlich sinnlich Wahrgenommene im Bewusstsein zu vergegenwärtigen, aufzubewahren und miteinander zu verbinden oder inhaltlich zu trennen. Weitere Beispiele wären die Tätigkeiten des Instinkts oder des Gedächtnisses. Gefühle zählen auch dazu.
Zu den sinnlichen Substanzen zählen die Tiere. Die Anzahl sinnlicher Vermögen bei Tieren ist variabel, d.h., nicht alle Tiere haben gleich viele sinnliche Vermögen.
Die rational begabten Substanzen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den höchsten Grad an Immanenz aufweisen. Die immanente Tätigkeit rational begabter Substanzen vermag es, als Gegenstand die immanente Tätigkeit selbst zu haben. Der Verstand kann sein Verstehen verstehen. Der Wille kann sein Wollen wollen. Im Gegensatz dazu vermögen die sinnlichen Substanzen nicht, als Gegenstand ihrer immanenten Tätigkeiten die Tätigkeiten selbst zu haben. Die Tätigkeit des Sehens kann sich nicht selbst sehen und das Hören kann sich nicht selbst hören. Zu den rational begabten Substanzen zählt der Mensch.
Während die Form vegetativer Substanzen die Tätigkeiten vegetativer Vermögen (Nahrungsaufnahme, Wachstum und Fortpflanzung) über den biologischen Organismus ausführt und die Form sinnlicher Substanzen die Tätigkeiten sinnlicher Vermögen (sinnliche Erkenntnis- und Strebevermögen) über einzelne Organe bzw. zumindest Teile des Organismus ausführt, ist es bei rational begabten Substanzen so, dass deren Form die Tätigkeiten rationaler Vermögen (Verstand und Wille) nicht über den Organismus oder Teile von ihm, nicht einmal dem Gehirn, ausführt. Unten mehr dazu.
Die Vollkommenheit einer Substanzklasse besteht im Grad der Immanenz der Tätigkeiten. Je immanenter die Möglichkeit der Tätigkeit einer Substanz, umso vollkommener die Substanz.
Die vollkommeneren Substanzklassen schließen die Vollkommenheiten der weniger vollkommenen Substanzklassen ein. Eine vegetative Substanz hat auch transitive Tätigkeiten; eine sinnliche Substanz hat auch vegetative und transitive Tätigkeiten und eine rational begabte Substanz hat auch sinnliche, vegetative und transitive Tätigkeiten.
Gehen wir nun etwas tiefer auf das Wesen immanenter Tätigkeiten ein. Einer Substanz ist immer dasjenige immanenter (tiefer innerlich oder innewohnender), was bleibender, überdauernder oder auch unveränderlicher ist. Wir haben bereits die beiden Prinzipien kennengelernt, aus denen Substanzen bestehen: Form und Materie. Von diesen beiden Teilen der Substanz war die Form dasjenige, worin die Unveränderlichkeit der Substanz besteht, während die Veränderlichkeit der Substanz in der Materie besteht. Über die Dauer der Existenz der Substanz hat sie immer dieselbe EINE Form, die auch das Prinzip des Tätigseins der Substanz ist.
Da der Grad an Immanenz von der Unveränderlichkeit abhängig und die Materie das Prinzip der Veränderlichkeit ist, ist eine Tätigkeit umso immanenter, je unabhängiger sie von der Materie ist.
Wenn wir uns nun die vegetativen Substanzen anschauen, stellen wir schnell fest, dass auch wenn die immanente Tätigkeit der Assimilation - wie jede andere auch - durch die Form geschieht (vegetative Substanzen sind, wie oben erwähnt, durch die Form und diese durch die biologischen Prozesse assimilativ tätig), sie völlig abhängig ist von Materie. Die Assimilation besteht darin, die Materie fremder Substanzen zu nutzen und in Materie der eigenen Substanz umzuwandeln. Die immanente Tätigkeit vegetativer Substanzen ist also gänzlich auf Materie gerichtet; ihr Gegenstand ist Materie und ihre Tätigkeit materiell.
Bei sinnlichen Substanzen ist die immanente Tätigkeit unabhängiger von Materie, wenn auch nicht völlig frei von ihr. Auf der einen Seite ist der sinnliche Gegenstand (das sinnliche Bewusstseinsobjekt, z.B. eine Farbe, ein Ton oder Gefühl) der sinnlichen Tätigkeit nicht aus Materie bestehend. Auf der anderen Seite setzt zum einen jede sinnliche Tätigkeit Organe - geformte Materie - voraus. Zum anderen ist der Gegenstand sinnlicher Tätigkeiten sinnlich. Sinnliche Gegenstände bzw. sinnliche Bewusstseinsobjekte bestehen aus konkreten Bestimmungen (oder aus Entsprechungen konkreter Bestimmungen) inFORMierter Materie (z.B. Farben und Töne). Diese sinnlichen Gegenstände wiederum sind alle logisch räumlich oder zeitlich teilbar; das visuelle Objekt in unserem Bewusstsein ist logisch räumlich teilbar und das auditive Objekt in unserem Bewusstsein ist logisch zeitlich teilbar. Raum (begründet durch die Materie als Vielheitsprinzip) und Zeit (begründet durch die Materie als Veränderungsprinzip) kann es jedoch nicht ohne Materie geben. Insofern besteht eine innere Abhängigkeit des Gegenstands sinnlicher Tätigkeiten zur Materie und somit auch der sinnlichen Tätigkeiten selbst zur Materie.
Bei rational begabten Substanzen ist die immanente Tätigkeit (verstehen, wollen) frei von Materie. Ihr Gegenstand besteht in einem Herausgehobensein des Wesens von etwas, aus allen konkreten Bestimmungen, einschließlich der raum- zeitlichen. Ihr Gegenstand ist frei von Einzelheiten, einfach und abstrakt (allgemein). Von Substanzen erfasst die rationale Tätigkeit des Verstehens die Form, ohne ihre Materie. Sie erfasst nichts Vereinzeltes oder Äußerliches, sondern Allgemeines oder Innerliches: nicht diese konkrete Farbe, sondern die Farbigkeit; nicht diesen bestimmten Menschen, sondern das Menschsein. Wenn der Gegenstand der rationalen Tätigkeit des Verstehens sich auf Einzelnes bezieht, dann immer nur reflexiv und dadurch, dass Allgemeines zueinander in Beziehung gesetzt wird. Anders ausgedrückt muss es zum einen immer eine reflexive Identifizierung des Verstandesgegenstands mit einem Gegenstand innerer oder äußerer Sinnestätigkeit geben. Zum anderen besteht dieses Identifizierte als Verstandesgegenstand aus zueinander in Beziehung gesetztem Allgemeinem. Beispiel: Diese konkrete Person als Verstandesgegenstand ist diejenige, welche ich gerade sehe (äußere Sinnestätigkeit) oder die ich mir gerade vorstelle (innere Sinnestätigkeit) – reflexive Identifizierung –, und ihr kommt es zu, dass sie mittelgroß, weiblich, kreativ, neugierig, zurückhaltend und humorvoll ist. Sie ist 28 Jahre alt, lebt gegenwärtig in Deutschland und wird Emma genannt. Ihre Beziehung zu mir ist die, dass ich ihr zufällig vor drei Tagen bei einem Restaurantbesuch begegnet bin.
All die Eigenschaften, die in dem Beispiel genannt worden sind, sind insofern allgemein, als sie auch beliebig vielen anderen Personen zukommen könnten. Das ist der Unterschied zum sinnlichen Tätigkeitsgegenstand. Wenn er z.B. die Farbe eines Baumes oder der Ton des Zwitscherns eines Vogels ist, ist er diese einmalige Farbe des Baumes oder dieser einmalige Ton des Zwitscherns eines Vogels, der als dieser eine nicht nochmal existiert, auch wenn es viele ähnliche oder auch gleich erscheinende Farben oder Töne gibt (mehr hierzu siehe „Woher wissen wir, was wahr ist?“).
Die rationale Tätigkeit des Verstehens erfasst zwar das Wesen von etwas, jedoch wird das Wesen nicht vollständig erfasst. Zu vollständigeren Erkenntnissen bedarf es vieler Verstandestätigkeiten.
Nichts Allgemeines kann materiell sein. Der rationale Tätigkeitsgegenstand im Bewusstsein ist aber allgemein. Der rationale Tätigkeitsgegenstand kann also nicht materiell sein. Dieser Grad an Immaterialität wird auch Geistigkeit genannt.
Für alle, die sich fragen, warum bei rationalen Tätigkeiten Gehirnaktivitäten messbar sind, sei hier gesagt, dass die rationalen Tätigkeiten an die sinnlichen Tätigkeiten gebunden sind und umgekehrt. Bei der Tätigkeit des einen ist automatisch auch das andere tätig und umgekehrt. Da die sinnlichen Tätigkeiten Gehirnaktivität für ihr Tätigsein voraussetzen und demnach bei jeder ihrer Tätigkeiten im Gehirn Aktivität messbar ist, ist Gehirnaktivität auch bei den rationalen Tätigkeiten messbar, obwohl die rationalen Tätigkeiten selbst nicht messbar sind.
Das erklärt auch, warum Hirnschäden bestimmte Einschränkungen bei rationalen Tätigkeiten zur Folge haben können. Bei manchen verletzten, kranken oder behinderten Menschen sind durch Mängel im Gehirn die sinnlichen Voraussetzungen dafür defekt, grundlegende Grade an Rationalität zu erreichen.
Seele und Geist
Wenn die Tätigkeit, die durch eine Form zustande kommt, immanent ist, nennt man die Form „Seele“. Von Seelen gibt es so viele verschiedene Arten, wie es verschiedene Klassen von Substanzen gibt, die zu immanenten Tätigkeiten fähig sind. Es gibt drei Klassen von Substanzen, die zu immanenten Tätigkeiten fähig sind, die vegetativen, die sinnlichen und die rational begabten. Also gibt es drei Arten von Seelen, die vegetativen, die sinnlichen und die rationalen. Die vegetativen Substanzen haben vegetative Seelen, die sinnlichen Substanzen haben sinnliche Seelen und die rational begabten Substanzen haben rationale Seelen.
Rational begabte Substanzen haben nicht drei Seelen, die rationale Seele, die sinnliche Seele und die vegetative Seele, sondern die rationalen Seelen schließen der Kraft nach die sinnlichen und vegetativen Seelen ein. Das heißt, dass die rationalen Seelen auch die Kräfte der sinnlichen und vegetativen Seelen haben. Gleiches gilt für sinnliche Seelen, die auch die Kräfte der vegetativen Seelen haben.
Wie oben bereits erwähnt, nennt man den Grad an Immaterialität des Rationalen „Geistigkeit“. Da die rational begabten Substanzen Menschen sind, haben Menschen eine geistige Seele. Der Geist ist der rationale Teil menschlicher Seelen.
Unsterblichkeit der menschlichen Seele
Da der Mensch die Einheit aus Form und Materie, bzw. aus Seele und Körper ist, folgt daraus die Einheit und Verbundenheit der beiden Tätigkeitsarten des Rationalen und des Sinnlichen. Bei der Verstandestätigkeit ist beispielsweise auch das Vorstellungsvermögen tätig. Das Vorstellungsvermögen z.B. vergegenwärtigt den Ton des gesprochenen Begriffs oder das Bild des geschriebenen Begriffs, während der Verstand den Inhalt begreift. Trotz der Einheit und Verbundenheit in der Ausführung bleiben beide eigenständige und verschiedene Tätigkeiten. Das Verstandestätigkeitsobjekt und das Objekt der Tätigkeit des Vorstellungsvermögens können zwar auf verschiedene Weise den gleichen außerhalb unseres Bewusstseins existierenden Inhalt bezeichnen, doch als Objekte unseres Bewusstseins sind das, was durch den Verstand gebildet wird, und das, was durch das Vorstellungsvermögen gebildet wird, verschieden.
Das Verstandestätigkeitsobjekt ist eigenständig und bleibt in sich materieunabhängig.
Das vergegenwärtigte Objekt der Verstandestätigkeit im Bewusstsein ist Wirkung des Verstandes, welcher Ursache bzw. Mitursache für diesen Begriff ist.
Ein anderes Wort für Wirkung ist Verursachtes.
Ursache(n) und Verursachtes müssen einander entsprechen, d.h., dass das Verursachte nicht größer oder mehr sein kann als die Ursache, da ansonsten ein Teil des Verursachten unverursacht wäre. Dies ist ein Widerspruch, und Widersprüche können nicht zugleich wahr sein. Also müssen Ursache und Verursachtes einander entsprechen (die Ursache(n) muss zumindest der Kraft nach das enthalten, was verursacht wird; Reibung mit brennbarem Material kann Feuer verursachen – keine Ursache kann der Kraft nach ihr Gegenteil enthalten).
Da das Sein des Objekts der Verstandestätigkeit im Bewusstsein eigenständig und in sich materieunabhängig ist und dasjenige, was mit dem Verstand zusammen Ursache für dieses Verstandestätigkeitsobjekt ist, die Eigenständigkeit und Materieunabhängigkeit des Objekts im Bewusstsein nicht begründet, muss die Eigenständigkeit und Materieunabhängigkeit des Objekts im Bewusstsein, also durch den Verstand begründet sein. Verstandestätigkeitsobjekt und Verstand stehen zueinander in der Beziehung wie Verursachtes und Ursache. Somit ist das Sein des Verstandes selbst eigenständig und in sich materieunabhängig.
Das Sein des Verstandes ist durch das Sein der Seele, demnach muss das Sein der Seele auch eigenständig und in sich materieunabhängig sein.
Da das Sein der menschlichen Seele eigenständig und in sich materieunabhängig ist, muss die Seele die Trennung vom Körper überdauern. Die menschliche Seele stirbt also nicht durch den Verlust des oder die Trennung vom Körper.
Das, was bisher über den Menschen und die menschliche Seele gesagt wurde, gilt für alle Menschen und alle menschlichen Seelen. Dazu zählen nicht nur die Menschen, die durch ihre Seelen im Leben rationale Tätigkeiten setzen, sondern auch diejenigen Menschen, die in ihrem Leben nicht dazu kommen, durch ihre Seelen rationale Tätigkeiten zu setzen, wie Schwerbehinderte oder Säuglinge. Die rationalen Tätigkeiten haben uns zwar zu der Erkenntnis des Seins menschlicher Seelen verholfen, jedoch sind menschliche Seelen in ihrem Sein nicht von rationalen Tätigkeiten abhängig, sondern die rationalen Tätigkeiten sind abhängig vom Sein menschlicher Seelen. Da sich unsere Ausführungen auf menschliche Seelen im Allgemeinen bezogen haben, zählen die Formen aller Substanzen dazu, die vom Menschen biologisch gezeugt sind. Da Säuglinge und Schwerbehinderte vom Menschen biologisch gezeugt sind, haben auch sie rationale, geistige Seelen.
Theorie der Reinkarnation
Die Reinkarnationstheorie besagt, dass sich die Seele, nach der Trennung vom Körper, mit einem neuen Körper vereint. Sobald die Seele einen Körper verlassen hat, wandelt sie umher, bis sie sich in einem neuen Körper niederlässt. Bei der Vereinigung der Seele mit einem neuen Körper bleibe der ganze Mensch erhalten.
Diese Theorie hat die Möglichkeit, die Seele entweder mit der Form gleichzusetzen oder die Seele mit der Form nicht gleichzusetzen. Wenn die Reinkarnationstheorie so interpretiert wird, dass die Seele mit der Form gleichgesetzt wird, hat sie folgendes Problem: Wir haben bisher gelernt, dass die Seele mit dem Körper eine wesentliche Einheit bildet. In dieser Einheit wird der Körper von der Seele strukturiert und organisiert. Der Körper erhält von der Seele seine individuellen Merkmale. Die Durchformung der Materie durch eine Seele ergibt einen bestimmten Körper, und ein durchformter Körper setzt eine bestimmte Seele voraus. Wenn eine Seele nach der Trennung von einem alten Köper nun Materie so formt, dass dies einen neuen Körper mit neuen individuellen Merkmalen ergibt, kann die wesentliche Einheit nicht dieselbe sein wie zuvor. Darüber hinaus setzt ein anderer Körper eine andere Seele voraus, da der Körper nur durch eine bestimmte Seele ein bestimmter Körper ist. Da die Reinkarnationstheorie annimmt, dass durch die Vereinigung der Seele mit einem neuen Körper der ganze Mensch erhalten bleibt, kann die Interpretation dieser Theorie, die annimmt, dass die Seele die Form des Menschen sei, nicht wahr sein. Darüber hinaus haben wir bereits gelernt, dass der Mensch die Einheit aus Seele (Form) und Körper (Materie) ist. Wenn der Mensch der Reinkarnationstheorie zufolge derselbe bleibt, wenn sich die Seele mit einem neuen Körper vereint, kann dieser Theorie nach die Seele nicht mit der Form gleichgesetzt werden. Die Reinkarnationstheorie muss also annehmen, dass die Seele etwas anderes ist als die Form.
Einwand: Die Wissenschaft macht so schnell Fortschritte, dass die Möglichkeit bald sein könnte, durch künstliche Eingriffe mehrere Körper so umzugestalten, dass sie vollständig identische individuelle Merkmale haben. Antwort: Selbst wenn es so wäre, dass dies möglich wird, stellt es keinen der dargelegten Punkte infrage. Zu den körperlichen individuellen Merkmalen gehört nämlich z.B. der geschichtliche Verlauf des Körpers, in dem er einmal seinen natürlichen Zustand von vor den künstlichen Eingriffen hatte. Außerdem zählen die jeweiligen Reaktionen der Körper auf die künstlichen Eingriffe zu den individuellen Merkmalen sowie die Möglichkeit, was der Körper ohne die künstlichen Eingriffe wäre, welche bei jedem anders ist.
Untersuchen wir nun, ob die Reinkarnationstheorie wahr sein kann, wenn sie die Seele mit der Form des Menschen nicht gleichsetzt. Zunächst einmal müsste geklärt werden, was in dem Fall sowohl die Form als auch die Seele eigentlich sind und in welchem Verhältnis die Form und die Seele zueinander stehen. Diese Theorie beinhaltet, dass die Seele immateriell bzw. geistig ist. Wenn die Seele, dieser Theorie nach, einen Körper besetzt, muss sie irgendwie mit ihm interagieren. Das durch materielle körperliche Organe sinnlich Erkannte wird auch vom Geist erfasst. Doch wie kommt das durch körperliche Organe Erkannte in den Geist? Wenn angenommen wird, dass die Seele auch die Funktion hat, Form des Körpers zu sein und Seele und Körper miteinander eine wesentliche Einheit bilden, ist die Antwort leicht. Die Einheit im Sein bringt eine Einheit in der Tätigkeit mit sich. Diese Einheit in der Tätigkeit ist bei der Reinkarnationstheorie jedoch ausgeschlossen, da sie die Einheit im Sein, wie gesehen, verneint. Die Interaktion zwischen Geist und Materie ist sogar weitaus umfangreicher. Durch jeden geistigen Willensakt wird Materie des Körpers bewegt, körperliche Verletzungen können unsere geistige Leistungsfähigkeit beeinflussen, und durch viele geistige Verstandeserkenntnisse wird der materielle Körper müde. All dies sind Beispiele für Interaktionen zwischen Geist und Materie und ihrer gegenseitigen Beeinflussung im Menschen. All dies kann aber nur dadurch erklärt werden, dass Geist und Materie gemeinsam den Menschen bilden und nicht nur der Geist oder die Seele. Da die Reinkarnationstheorie jedoch annimmt, dass der Mensch nur Geist oder nur Seele ist, kann sie nicht wahr sein.
In diesem Abschnitt untersuchen wir das scheinbare Spannungsverhältnis zwischen dem eigenständigen und materieunabhängigen Sein der menschlichen Seele auf der einen Seite und der wesentlichen Einheit zwischen der menschlichen Seele und dem menschlichen Körper auf der anderen Seite.
Das eigenständige und materieunabhängige Sein der menschlichen Seele bezieht sich auf das Sein der Seele, wie es von allem abgesondert in sich betrachtet ist. Eigenständig heißt hier, dass das Sein der menschlichen Seele dazu befähigt ist, abgesondert von anderem zu sein, isoliert zu sein bzw. existieren zu können. Materieunabhängig heißt, dass die menschliche Seele in ihrem Sein nicht abhängig ist von Materie.
Wenn es auf der anderen Seite heißt, dass die menschliche Seele eine wesentliche Einheit mit einem materiellen Körper bildet, ist damit nicht gemeint, ob die Seele ohne einen materiellen Körper existieren kann, sondern ob die menschliche Seele, abgesondert von einem materiellen Körper, eine wesentliche und somit vollständige Einheit bildet. Dass die Seele für sich eine Einheit ist, ist klar. Doch ob die Einheit einer isolierten Seele wesentlich und somit vollständig ist, ist eine andere Frage. Und diese andere Frage hat ergeben, dass die eigenständige Seele eine unvollständige Einheit ist und den Körper dafür benötigt, eine wesentliche und vollständige Einheit zu bilden. Folgende Gegenüberstellung soll diesen Punkt näher veranschaulichen: Die (menschliche) Seele ist Teil der Einheit Mensch. Die (menschliche) Hand ist Teil der Einheit Mensch. Die Seele ist für sich genommen nicht die vollständige Einheit Mensch. Die Hand ist für sich genommen nicht die vollständige Einheit Mensch. Die Seele ist für sich genommen eine unvollständige Einheit, die mit anderem die vollständige Einheit Mensch bildet. Die Hand ist für sich genommen eine unvollständige Einheit, die mit anderem die vollständige Einheit Mensch bildet. Der Unterschied zwischen der Seele und der Hand ist der, dass die Seele für sich genommen, als unvollständige Einheit existieren kann. Die Hand kann für sich genommen als unvollständige Einheit nicht existieren, sondern bedarf für ihre Existenz der vollständigen Einheit Mensch.
Fassen wir unsere gewonnenen Erkenntnisse zusammen. Jede Substanz, die zu immanenten Tätigkeiten fähig ist, hat eine Seele. Der Mensch ist zu immanenten Tätigkeiten fähig, der Mensch hat also eine Seele. Der Mensch hat nicht nur eine Seele, sondern er ist die Einheit aus seiner Seele und seinem Körper. Die Seele des Menschen nennt man wegen der Rationalität auch „geistig“ oder „Geistseele“. Die Geistseele des Menschen überdauert wegen der Rationalität den Verlust der Einheit mit dem Körper. Anders ausgedrückt stirbt oder vergeht die Seele des Menschen nicht durch das, was allgemein als Tod bezeichnet wird. Dies gilt für alle Menschen; Säuglinge, Kranke, Verletzte und Schwerbehinderte eingeschlossen. Obwohl die Seele die Trennung vom Körper überdauert, ist sie im Zustand des Getrenntseins vom Körper als Einheit unvollständig. Die Theorie einer Seelenwanderung wurde als Möglichkeit jedoch ausgeschlossen.
Die Seele ist das Prinzip immanenter Tätigkeiten, und der Geist ist der Teil der Seele, der Prinzip für einen bestimmten Grad immanenter Tätigkeiten ist, der rationalen. Der Geist ist nicht unabhängig von der Seele, sondern ein untrennbarer Teil von ihr. Im Geist besteht die Art der Seele, die den Menschen der Vollkommenheit nach über Pflanzen und Tiere setzt.
Auch wenn wir, wie in diesem Artikel gezeigt, mit unserer Vernunft zu erkennen vermögen, dass unsere Seele durch das, was allgemein als „Tod“ bezeichnet wird, nicht aufhört zu existieren, vermag unsere Vernunft aus sich heraus nichts über das zu sagen, was unsere Seele nach dem Tod ereilt.
Für weiterführende Lektüre seien die Werke des Verlags „Editiones Scholasticae“ empfohlen, die auch die Grundlage einiger der Inhalte dieses Artikels waren.
Der Grund für Leichtigkeit im Leben,
ist innre Freiheit stets zu hegen.